Rezension: „Die Kinder des Wüstenplaneten“ von Frank Herbert

Pfeil_lo

Dieser Roman ist der dritte Band des „Wüstenplanet-Zyklus“ nach „Der Wüstenplanet“ und „Der Herr des Wüstenplaneten“. Um es gleich vorweg zu nehmen: Es ist mit Abstand der schwächste dieser drei in der Handlung unmittelbar aufeinander aufbauenden Romane. Was im ersten Band noch einen guten Teil des Reizes ausmachte, nämlich die Schilderung des zivilisatorischen Hintergrunds, kommt hier naturgemäß kaum mehr vor. Das ist aber nicht das Problem. Es ist die Abwesenheit so gut wie aller Stärken der ersten beiden Bände (der Plot, die einigermaßen spannungsgeladene Handlung). Stattdessen werden die zahlreichen Schwächen, namentlich des ersten Bandes (seitenlange Introspektiven, endlose irrationale Erwägungen über Vergangenheit und Zukunft und die eigene Motivation, das Für und Wider dieser oder jenen Option, das ewige Lamentieren über Zukunftsvisionen und mögliche Handlungsstränge …) in nochmals potenzierter Weise dargeboten. In meiner Empfindung hält sich das Spannungsniveau fast permanent an der Grenze zwischen „noch eine Seite lesen oder die Buchdeckel für immer schließen“. Nun ist Spannung gewiss nicht alles. Ich kann mir durchaus völlig spannungslose aber nichtsdestotrotz hochinteressante Geschichten vorstellen: Dieser Roman gehört nicht zu dieser Gattung. Letztlich habe ich die Geschichte nur deswegen zu Ende gelesen, weil ich mir nicht vorwerfen lassen wollte, aufgegeben zu haben.

Zum Inhalt. Die Geschichte schließt sich unmittelbar an Band 2 an. Paul „Muad’dib“ Atreides hat als Herr des Wüstenplaneten und Imperator sozusagen abgedankt und ist – erblindet – nach alter Frementradition in die Wüste gegangen um dort den Tod zu suchen. Seine ebenfalls mit übermenschlichen Gaben gesegnete Schwester Alia hat derweil an seiner Stelle und für seine minderjährigen Nachkommen die Regentschaft über den Wüstenplaneten und das Imperium übernommen. Die beiden Zwillinge Leto II und Ghanima sind nunmehr halbwüchsige Kinder. Sie stehen unter der Vormundschaft des altbekannten Weggefährten und Fremen Stilgar, der auch im Rat des Imperiums Sitz und Stimme hat. Zugleich wacht Prinzessin Irulan über das Wohl und Wehe der Zwillinge. Der Junge und das Mädchen tragen die Erbanlagen ihres Vaters und sind – wen wundert’s – kognitiv und emotional überbegabt und frühreif. Genau wie in Alia und Paul „Muad’dib“ Atreides leben auch in den Zwillingen die Geister, die Seelen, die Persönlichkeiten von Generationen von Vorfahren mehr oder weniger scharf voneinander unterschieden weiter. Die Zwillinge können damit aus der Fülle des solchermaßen in ihnen eingeschlossenen Wissens und der gesammelten Lebenserfahrung von Äonen schöpfen. Kein Erwachsener kann ihnen hinsichtlich Erfahrungsschatz und Urteilskraft auch nur annähernd das Wasser reichen. Trotzdem sehen sie in ihnen kaum mehr als eben Kinder. Ihre Begabung übersteigt auch die ehemaligen Fähigkeiten Ihres Vaters und der Regentin Tante Alia noch deutlich. Dabei ist Leto II an dieser Stelle noch ambitionierter als seine Schwester.

Außerhalb des Wüstenplaneten ist natürlich gleichfalls bekannt, dass der Übermensch Paul „Muad’dib“ Atreides nicht mehr Imperator ist. In der damit vermeintlich einhergehenden Schwäche der Atreides sieht das Haus Corrino daher seine Chance, den Thron des Imperators zurückzugewinnen. Der Sohn des ehemaligen Padischah Imperators Shaddam IV, der sympathische Farad’n, steht dafür bereit. Was muss dafür getan werden: Eigentlich müssen doch nur die rechtmäßigen Atreides Erben, eben die Zwillinge Leto II und Ghanima, aus dem Wege geräumt werden. Die Gelegenheit dafür erscheint günstig, schließlich gibt es auch unter dem Fremen Widerstandsgruppen gegen die Herrschaft Alias. Darum geht es in weiten Zügen des Romans. Ein Prediger spielt dabei eine Rolle, ein Mann aus der Wüste, der den Herrschenden die Leviten liest und den manche für „Muad’dib“ halten. Die Mutter von Paul und damit die Großmutter der Zwillinge, Lady Jessica, mischt sich ebenfalls ein. Ebenso die bewährten Kämpfer Duncan Idaho und Guerney Halleck. Letzten Endes hat aber der „Kindgott“ Leto II Atreides alles unter Kontrolle. Wie an unsichtbaren Fäden gezogen strebt alles auf das große Finale zu. Sein Ziel ist die Verwirklichung des großen Plans, an dem sein Vater Paul Atreides noch so grandios gescheitert war (nachzulesen in Band 2). Er will es besser machen, er will nicht als Antiheld enden und ist bereit, dafür sein Menschsein total und ohne Einschränkung in die Waagschale zu werfen.

Die vorstehende knappe Zusammenfassung spiegelt die beim Lesen über weite Strecken aufkommende gähnende Langeweile nicht annähernd wider. Wie oben gesagt, es sind die elendiglich langen, zahllose Seiten füllenden aber nichtssagenden Passagen, die einem die Lust am Weitelesen zu nehmen drohen. Den ganzen Roman auf 200 Seiten komprimiert und die Sache wird akzeptabel, vielleicht sogar richtig gut.

Geradezu ärgerlich sind die allerdings auch schon in den beiden anderen Bänden anzutreffenden kursiv gedruckten Kapiteleinleitungen. Dort finden sich immer wieder quasi-historische und quasi-philosophische Notizen, die vom ganzen Duktus her den Anspruch erheben, gewissermaßen Grundsätzliches zu den handelnden Personen und dem Leben im Allgemeinen zum Ausdruck zu bringen. – In den allermeisten Fällen handelt sich dabei um eine Mischung aus hanebüchenem Unsinn und unverständlichem Kauderwelsch. Den „philosophischen Anspruch“ erkenne ich wohl – er wird aber nicht eingelöst. An der Übersetzung alleine kann das nicht liegen. Diese Passagen ersatzlos zu streichen wäre eine gute Option für alle drei Bände. – Entgegen der Meinung manch anderer Leser möchte ich im Übrigen dem „Wüstenplanet-Zyklus“ (dabei kann ich nur für die ersten drei Bände sprechen) den Status als „philosophisches Werk“ rundweg absprechen. Jedenfalls kann ich darin eine ernstzunehmende und konsequent durchgehaltene „Philosophie“ definitiv nicht erkennen. Es ist eher ein Gesellschaftsentwurf, als solcher ist er aber rückwärtsgewandt und in tradierten Verhältnissen und überkommenen Mythen verhaftet. Im Ergebnis ist das geradezu banal und anspruchslos, zumindest wird damit kein „philosophischer Rahmen“ abgesteckt, über den ernsthaft zu diskutieren sich lohnte.

Wenn wir nun schon beim Grundsätzlichen sind: Die Fremen gehen mir gewaltig auf die Nerven. Eigentlich schon in Band 1 und 2, in Band 3 aber kaum mehr zu auszuhalten. Sie sind definitiv keine Sympathieträger. Eine kurze Charakterisierung ihrer Haupteigenschaften: mutig und gute Kämpfer, das war’s am Positiven. Ansonsten sind sie verschlagen, heimtückisch, starrköpfig, nachtragend, rachsüchtig, abergläubisch, irrational, bigott, ihr Wort gilt nur unter Ihresgleichen, auch beste Freunde hintergehen sie, wenn’s keine Fremen sind. Frauen sind gleichberechtigt, kann man da lesen, tatsächlich aber sind sie für Heim und Herd zuständig, halten gefälligst das „Sietch“ sauber und sorgen für das Frühstück. Was die Männer tun, wenn sie nicht gerade im Zuge eines Todeskommandos andere Zeitgenossen grundlos umbringen, bleibt weitgehend unklar. Man will ihnen jedenfalls nicht im Dunkeln begegnen. Was man Frank Herbert zugute halten muss: Mit den Fremen hat er den im vorderen Orient grassierenden sogenannten IS gar nicht so übel getroffen und fast schon vorhergesagt.

Meine Resümee: Sand, überall nur Sand. So ist eben die Wüste – und so ist auch dieser Roman.  Macht es Sinn, die weiteren Bände zu lesen? Für mich nicht – höchstens in einem Anflug von akutem Masochismus.
Pfeil_lo

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